Geschichte und Geschichten zu Planegg
Entwicklung Planeggs zwischen Schlossherrschaft, Bauern, Künstlern und Arbeitern
Unterschiedliche soziale, kulturelle und wirtschaftliche Strukturen prägten um die Jahrhundertwende in besonderem Maße die Wohnverhältnisse in unserer Gemeinde.
Es gab heimatverbundene, bodenständige Bauern, die mit körperlicher Schwerstarbeit ihre Felder bestellten und in ärmlichen, kleinbäuerlichen Verhältnissen lebten. Ein" Gütl" hätte zu jener Zeit aus Wohnhaus, Gebäude mit Stall, Stadel und Hofraum, dem Hausgarten, Gras- und Wurzgarten, sowie Hausacker und Acker bestehen können. In der Regel lebten und arbeiteten mehrere Generationen in engen Wohnverhältnissen unter einem Dach.
Dem gegenüber standen avantgardistische Künstlerhaushalte mit Ateliers und Werkstätten, in denen Politiker, Schriftsteller und Maler aus jener Zeit ausgelassene Künstlerfeste veranstalteten, neue Ideen und Konzepte für Wissenschaft und Kunst entwickelten.
Zu Bauern, Handwerkern, Kaufleuten und Kleingewebetreibenden kamen nach der Errichtung der Eisenbahnlinie im Jahre 1854 auch zahlreiche Eisenbahnbedienstete, da Planegg einen ausgedehnten Güterbahnhof erhielt. Auch bei der Schlossherrschaft standen viele Planegger Bürger in Lohn und Brot. Sei es als Hausangestellte, in der Land -und Forstwirtschaft oder als Arbeiter in der dazugehörigen Schlossbrauerei.
Die wirtschaftliche Notwendigkeit zwang viele Mütter in ein aushäusiges Arbeitsverhältnis. Dies spiegelt sich wider in der Gründung einer Kinderbewahranstalt, dem Josephstift, die im Jahre 1895 von Frau Amalie Bamberger, geb. von Hirsch gegründet wurde. "Der Zweck ist die Beaufsichtigung und teilweise Verköstigung von Kindern zwischen 3-6 Jahren, deren Mutter in die Arbeit geht" (aus einem Bericht an das Bezirksamt München vom 17.II.1915).
Künstler, Schriftsteller, wohlhabende Bürger aus München zog es um die Jahrhundertwende hinaus ins Grüne, in die Vororte Münchens. So auch nach Planegg, das mit seinen vielen Gasthäusern, der Wallfahrtskirche Maria Eich, dem bereits 1835 errichteten Bräuhaus, dem Wellenbad (hier stand früher die Mühle, welche am 3.August 1898 abgebrannt ist), sowie seinen ausgedehnten Wäldern ein idealer Platz war, sich anzusiedeln oder zumindest die Sommerfrische hier zu verbringen. Durch die Anbindung der Eisenbahn ließ sich Stadt und Land vortrefflich verbinden.
Der Villen-Bauunternehmer Franz Redenbacher entwickelte in der Mitte der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts den Plan zu einer Villenansiedlung in Maria Eich - Planegg. Im Bezirksamt München I reichte er im Oktober 1896 einen Plan zur Entstehung der Villensiedlung Maria Eich ein. Bereits im Januar 1898 wurden die etwa 10 ha Land an die Heilmann'sche Immobiliengesellschaft verkauft. Auf dem Planegger Terrain der Gesellschaft, mit einer Größe von 168 155qm, wurde auf Initiative der Heilmannschen Immobiliengesellschaft am 2. Juni 1900 die Baugesellschaft für Familienhäuser und Villen gegründet.
Benno Sailer berichtet im Generalanzeiger der „Münchner Neuesten Nachrichten" vom
2. Juni 1899 über die „Villenkolonie Planegg," dass die landschaftlichen Schönheiten Planeggs, besonders die ausgedehnten Waldungen, nicht hervorgehoben werden müssen." Des Weiteren berichtet er: „Freilich fehlt es noch an geeigneten Mittagszügen, die den in München Beschäftigten ermöglichen, ihre Mahlzeit im eigenen Heim einzunehmen und ebenso an passenden Nachtzügen, die den Besuch großstädtischer Theater und Konzerte gestatten."
Planegg zählte im Jahre 1809 ca. 41 bewohnte Gebäude. Die Häuserzahl stieg von 135 Anwesen im Jahre 1880 auf 179 im Jahre 1900. Es blieb nicht aus, dass die Entwicklung der Einwohnerzahl zwischen 1840 von 426 Bürgern bis 1939 auf 2876 Bürger anstieg. Dadurch wird Planegg kurzzeitig die größte Gemeinde des mittleren Würmtals (heute leben in Planegg ca. 12000 Menschen).
Die sich wandelnde und weiterentwickelnde Infrastruktur in Planegg, übertrug sich auf die Bewohner unserer Gemeinde. Jeder trug durch seine unterschiedlichen Fähigkeiten und Erfahrungen, seine politischen Vorstellungen und Weltansichten zum besonderen Flair unserer Würmtalgemeinde Planegg bei.
Erika Klemt
Geschichte der Gemeinde Planegg
Während Martinsried bereits im 12. Jahrhundert und Steinkirchen im 13. Jahrhundert in den Urkunden der Klöster Dietramszell bzw. Benediktbeuren erwähnt wird, ist Planegg wohl der jüngste Ortsname im ganzen Würmtal. Zum ersten Mal erscheint der Name Planegg in einer Urkunde vom 7. Februar 1409, mit der der Münchner Bürger Jörg Tömlinger neben verschiedenen Höfen auch "seine Behausung, genannt Planegk" an den bayerischen Herzog Wilhelm III. verkauft.
Am 01. Oktober 1425 schenkt Herzog Wilhelm diesen Besitz einschließlich "der Veste Planegk" seinem unehelichen Sohn Konrad, der wohl nach der dem Herzog gehörenden Veste Egenhofen im Landgericht Dachau "Konrad von Egenhofen" benannt wurde. Über den Namen der Mutter Konrads wurde viel spekuliert, lange hat sich eine Liebesgeschichte von der schönen Wirtstochter in der Burgstraße zu München gehalten: "Besonders scheint Herzog Wilhelm von den Reizen der schönen Wirtstochter gefangen worden zu sein und mit ihr ein Liebesverhältnis gepflogen zu haben, das nicht ohne Folgen blieb. Der Vater der Wirtstochter wurde dann zum herzoglichen Zöllner in Wasserburg ernannt." Mittlerweile hat sich diese nette Geschichte als Legende herausgestellt, der Name der Mutter von Konrad von Egenhofen bleibt unbekannt.
Das Hofmarksgeschlecht der Hörwarth führte in seinem Wappen als frühere "Ulentaler" die Eule als Wappentier. Nachdem das Geschlecht der Hörwarth im Mannesstamm ausgestorben war, durfte die Gemeinde Planegg 1951 das Wappen übernehmen: Auf einem grünen Feld(=Plan) sitzt vor einem blauen Fluss (=Würm) eine rote, goldbewehrte Eule.
Die Hofmark Planegg
In den Jahren zwischen 1409 und 1423 hatte Herzog Wilhelm auch die Dorfgerichte Großhadern, Martinsried, Forstenried, Fürstenried, Neuried und Gräfelfing dazugekauft und damit waren die Voraussetzungen (Grundbesitz verbunden mit Gerichtsbarkeit) für eine Hofmark Planegg gegeben.
Planegg war nun als Sitz der Hofmarksverwaltung Mittelpunkt und Gerichtssitz für das mittlere Würmtal. 1442 kamen noch das Dorfgericht Lochham, 1720 die Hofmark Fronloh und 1724 die Hofmark Krailling dazu. In der erwähnten Urkunde von 1425 ist auch die "Taferne in Planegg" erwähnt. Bis ins 19. Jahrhundert war sie das einzige Wirtshaus im ganzen Hofmarksbezirk. Hier war jahrhundertelang der gesellschaftliche Mittelpunkt, hier wurde gefeiert, getanzt und gerauft; die Gerichtsprotokolle bezeugen, dass es nicht immer zimperlich abging. Seit Jahren ist dieses "ehrwürdige" Gebäude dem Verfall preisgegeben.
Martinsried im Dienst der Schlossherrn
In Martinsried hatten die Bauern andere Sorgen, sie mussten gleich drei Herren dienen. Der Grundherr - das Kloster Dietramszell - beanspruchte Naturalabgaben für den Unterhalt des Klosters, an den Zehentherrn - die Kirche - musste der zehnte Teil der Erträge abgeführt werden, der Gerichtsherr - Hofmarksinhaber - verlangte Geldabgaben und Scharwerksdienste. Gerade wegen letzterer Dienstleistung, wonach zu der eigenen Feldarbeit auch noch die Arbeit beim Schlossgut verrichtet werden musste, beschwerten sich die Martinsrieder Bauern 1556 beim Hofrat in München. Diese Scharwerksdienste waren außerordentlich unbeliebt, ja sogar verhasst, man sah in ihnen ein Zeichen von Sklaverei und Leibeigenschaft. Der Grund lag vor allem darin, dass diese Leistungen nicht wie andere Abgaben genau bemessen, sondern der Willkür des Gerichtsherrn ausgesetzt waren. Die Martinsrieder hatten mit ihrer Beschwerde Erfolg: Der Gerichtsherr musste die Scharwerksleistungen in eine genau bemessene Geldabgabe umwandeln.
Der 30-jährige Krieg
Wie überall brachte der 30jährige Krieg großes Leid über unsere Heimat. Der Hofmarksherr Johann Franz von Hörwarth schreibt 1648 einen erschütternden Brief an den Kurfürsten: "Die Hofmarksuntertanen werden durch meistenteils ausgerissenes Gesindel wider aller christlichen Vernunft vexiert, verderbt und in das höchst bittere Elend mit Leib- und Lebensgefahr gezwungen. Daher mein gehorsambstes Bitten, sich über die armen Landkindlein, Wittib und Waisen gnädigst zu erweichen."
Der Wallfahrtsort Maria Eich
Schließlich: Was wäre Planegg ohne Maria Eich? 1733 war eine Dienstmagd beim Hofbauer in Planegg erkrankt. In diesem ihren elenden Zustand fiel ihr ein, "wann mir halt bei dem Frauerl in der Eichen geholfen würde, wollte ich gern vom Mühlfeld anfangend bis zur Eichen hinauskriechen und darunter beten". Kaum hatte sie diesen Vorsatz gefasst, ist sie wieder frisch und gesund geworden, so berichtet die Chronik. Dieses Wunder wurde schnell bekannt und verursachte einen großen Zulauf von Hilfsbedürftigen. Bis in die höchsten Kreise hinauf wurde Maria Eich bekannt durch eine Hetzjagd des Kurfürsten Max III. Joseph im Jahr 1775. Ein versprengter Hirsch hatte bei der Kapelle Zuflucht gesucht. Der Kurfürst ließ das Tier schonen und schenkte ihm die Freiheit. Von dieser Zeit an soll er nie mehr in dieser Gegend gejagt haben, um die Ruhe des Gnadenortes nicht zu stören.
1746 erbaute Baron v. Ruffin bei Maria Eich eine Klause und berief einen Eremiten, der den Schul- und Mesnerdienst versehen musste. Gegen Ende des 18. Jh. galt die Eremitenschule als "die beste auf vielen Stunden herum". Im Regierungsblatt von 1802 erhielten Baron v. Ruffin und der Lokalschulinspektor Pfarrer Dallinger eine öffentliche Belobigung "weil sie die Schule mit bestem Erfolg emporgebracht haben". Im Jahr 1819 wurde ein neues Schulhaus in der Münchner Straße 13 und schließlich 1902 die heutige Volksschule in der Josef-von-Hirsch-Straße erbaut.
Aufschwung im 19. Jahrhundert
Das 19. Jahrhundert brachte einen großen Aufschwung für Planegg. 1851 konnte der damalige Gemeindeausschuss feststellen: "Planegg, ein äußerst frequenter Wallfahrtsort, erfreut sich von Jahr zu Jahr eines immer größer werdenden Zuzugs von Fremden, die sich mit Beginn der günstigen Jahreszeit teils der Erholung und des Vergnügens wegen, vorzüglich jedoch zur Stärkung ihrer Gesundheit hierher begeben und ihren momentanen Wohnsitz hier aufschlagen. Das milde und gesunde Klima Planeggs, das als höchst wohltätig sich herausstellende Würmwasser, kunstgerecht angewandt, machen den Aufenthalt zu einem der angenehmsten, wozu noch eine unmittelbare Verbindung mit der Hauptstadt durch eine täglich zweimal gebotene Stellwagen-Fahrgelegenheit sich gesellt."
Planegg war zu einem Erholungs- und Belustigungsort für München geworden, vor allem seit Eröffnung der Eisenbahnlinie Pasing - Starnberg im Jahr 1854.
Mit dem Gesetz vom 04. Juni 1848 über die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit erhielt die Gemeinde erstmals das volle Selbstverwaltungsrecht, seit dieser Zeit gibt es Gemeindeausschusssitzungen.
Wichtige Bauwerke
1883 wurde ein altes Bauernhaus zum ersten Gemeindehaus umgebaut. Die Einwohnerzahl der Gemeinde Planegg wuchs immer mehr, von 1895 bis 1900 um 55,8% auf 1339. Ein neues Rathaus war erforderlich, 1908 konnte die Gemeindeverwaltung umziehen in das Rathaus Pasinger Straße 16. Fast neunzig Jahre hat es seine Aufgabe voll und ganz erfüllt, bis zum 07. Juli 1995 das jetzige Rathaus eingeweiht wurde.
Bis 1920 war die für Planegg zuständige Pfarrkirche das kleine Kirchlein in Martinsried. St. Elisabeth besteht in ihrer heutigen Form seit 1972; der Kirchturm, allgemein als "Ringelstrumpf" bekannt, stammt aus dem Jahr 1932. Am 2. Weihnachtsfeiertag 1926 wurde die nach den Plänen des berühmten Münchner Architekten Thedor Fischer gebaute evangelische Waldkirche eingeweiht.
Das Dritte Reich in Planegg
Nicht vergessen und verdrängt werden darf das Leid und Unrecht, das in der Zeit des Nationalsozialismus auch in unserer Gemeinde vor allem den jüdischen Mitbürgern angetan wurde. In der sogenannten Reichskristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 kam es zu einer größeren Aktion gegen Dr. Rudolf Frhr. von Hirsch. Das Schloss wurde angezündet, wobei mehrere Zimmer ausbrannten. Sämtliche jüdischen Mitbürger wurden, soweit sie sich nicht durch Auswanderung retten konnten, in Konzentrationslager eingeliefert, zwei Familien kamen dabei ums Leben.
Martinsried wird zum Wissensstandort
Uneigennützig hat sich der Planegger Gemeinderat gezeigt, als er die in den Jahren 1970 - 1972 errichteten Max-Planck-Institute für Biochemie und Psychiatrie in Martinsried befürwortete und genehmigte. (Wissenschaftliche Institute zahlen nämlich keine Steuern). Durch die drei Nobelpreisträger Adolf Butenandt, Feodor Lynen und Robert Huber, die in diesen Instituten arbeiteten bzw. noch arbeiten, hat Martinsried einen guten Klang in der ganzen wissenschaftlichen Welt bekommen.
Ein Innovations- und Gründerzentrum für Biotechnologie IZB, das 1995 entstand, sowie die Auslagerung der Fakultäten für Biologie, Physik, Medizin und Geowissenschaften der Ludwigs-Maximilians-Universität München hat in Martinsied einen leistungsfähigen naturwissenschaftlichen Campus entstehen lassen. Planungen für die Verlängerung der U-Bahn bis Martinsried sind zur Zeit im Gange.
Das Kulturforum Planegg bietet in Zusammenarbeit mit Planegger Kulturschaffenden an verschiedenen Veranstaltungsorten ein reiches Kulturprogramm quer durch alle Sparten. Das im Frühjahr 2008 eröffnete „Kupferhaus" am Feodor Lynen-Gymnasium bietet mit seinem großen Konzertsaal und einer einladenden Aula die Möglichkeit, ein breites Veranstaltungsprogramm in angenehmem Ambiente zu präsentieren.
Die Gemeinde Planegg ist jung und lebendig geblieben, sie braucht einen Blick in den Spiegel nicht zu scheuen: Herausschaut ein Ort, in dem man gerne lebt, arbeitet und Feste feiert.
(Anton Grau)